Rubens und die Tulpenfans
𝓲

Rubens und die Tulpenfans

Anfang des 17. Jahrhunderts war Antwerpen total verrückt nach Blumenzwiebeln. In der Nähe des Rubenshuis wurde heimlich - für große Summen - mit Tulpenzwiebeln gehandelt. Eine seltene Tulpenzwiebel kostete oft mehr als ein Rubensgemälde. Auch Peter Paul hatte viele Tulpen in seinem Garten. War Rubens etwa am Tulpenhandel beteiligt? 

Die Gartenkonservatorin Klara Alen untersucht jeden Tag neue Rubenserzählungen über den Garten und entdeckte dabei dieses bisher im Verborgenen blühende Stückchen Geschichte. Sie führt gerade eine Studie über den Antwerpener Tulpenhandel zur Rubenszeit durch. 

Süchtig nach Zwiebeln

In Rubens’ Zeit waren viele Antwerpener, die es sich leisten konnten, schier süchtig nach Tulpenzwiebeln, die vorzugsweise so selten wie möglich sein sollten. Tulpen verkörperten Luxus und Reichtum: die Visitenkarte schlechthin eines erfolgreichen Unternehmers. Man musste allerdings über die entsprechenden Mittel verfügen. Eine seltene Tulpenzwiebel hatte ihren Preis und galt als Rieseninvestition.     

Bei ihrer Studie über den Garten des Rubenshuis stieß Klara auch auf die Antwerpener Tulpenmanie und entdeckte den Antwerpener Tulpenzwiebelverein: zwielichtige Gestalten, die in der Nähe des Rubenhuis mit Tulpenzwiebeln spekulierten. Es wurde dort eine Menge Geld verdient: Eine Tulpenzwiebel konnte bis zu 1.800 Gulden kosten! Zum Vergleich: Das Jahresgehalt von Rubens’ Gärtner Willem betrug 72 Gulden. 

Tulpen, Ursprung aller Freuden

Aus dem Lied für die heilige Dorothea
𝓲
Antwerpener Geschäfte

In der Hafenstadt Antwerpen konnte man so gut wie alles bekommen. Tulpenfans ergatterten dort neben den Tulpensorten Gouda, Viceroy, Anvers und Admirael de Man auch die Oudenaarde, Generael Vereyck, Switsers, Petter, Otto de Man und die Somerschoon. Einfarbige weiße, gelbe und rote Tulpen gab es schon länger, doch so außergewöhnlich geflammte und gestreifte Exemplare wie diese waren Ende der 1630er Jahre voll der Hammer! 

Die Geschäfte bargen jedoch ein gewisses Risiko. Die Zwiebeln wurden zu Wucherpreisen verkauft, noch bevor die Käufer sie hatten blühen sehen. Manchmal waren Farbe und Muster dann nicht wie erwartet, oder die Zwiebeln waren ausgetrocknet und blühten überhaupt nicht. 1637 erreichte die Tulpenmanie ihren Zenit. Die Preise wurden so sehr in die Höhe getrieben, dass der Markt zusammenbrach.

Der Antwerpener Kunstsammler Antonio de Tassis verkaufte in diesem Jahr alle Tochterzwiebeln seiner Muttertulpenzwiebel. Preis: 15.100 Gulden. Rubens’ Gärtner Willem hätte 209 Jahre dafür arbeiten müssen!    

Der große Wertverlust bei den Blumen ist da

Notar Rousseau
𝓲
Der Antwerpener Tulpenzwiebelverein

Wer war Mitglied im Tulpenzwiebelverein? Das Aktenbündel eines Notars gibt Aufschluss. Darin werden 17 reiche Antwerpener Zweibelfans erwähnt, die – sage und schreibe – fast alle irgendwie eine Beziehung zu Rubens hatten. Man findet dort nicht nur Rubens’ Bierlieferanten Hendrick Stockmans, sondern auch die Sammler Antonio de Tassis, Gaspar Charles und Rubens‘ Schwager Peter Hannekart. Sie alle verfügten über die notwendigen Kontakte und Mittel: Spielsüchtige auf der Suche nach dem nächsten botanischen Adrenalinschub. 

Die Tulpenfans gingen die Sache schlau an und gründeten einen Verein - die Bruderschaft zu Ehren der heiligen Dorothea -, um Streit und Verrat zu vermeiden. Im Lied für die heilige Dorothea werden die Antwerpener Tulpen als „Ursprung aller Freuden” besungen!   

𝓲
𝓲
Zwiebelverkauf in der Herberge De Zwaan

Für seine dunklen Geschäfte nutzte der Verein die Herberge De Zwaan von Brauer Hendrik Stockmans am heutigen Graanmarkt, kaum 200 m von Rubens’ Haus entfernt. Dort wechselten die kostbaren Zwiebeln unter dem Tisch ihren Besitzer. Gehörte Rubens auch dazu? Aus einer Notarakte über Isabella Brant geht hervor, dass Rubens dem Brauer Stockmans noch 60 Gulden für geliefertes Bier schuldete. Wollte man mit der Getränkerechnung Rubens’ Tulpengeschäfte decken? Sein Name taucht in den Dokumenten zwar nicht auf, aber er wird wohl davon gewusst haben. 

Die hiesigen Floristen haben am Freitag eine feierliche Messe in der St. Georgs-Kirche lesen lassen, damit die Tulpen gut gedeihen

Aus einem Pamphlet über die Antwerpener Tulpenmanie im Jahr 1637
Familienangelegenheiten

Eine andere mögliche Spur führt zur Verwandtschaft. Nur 400 m von der Herberge De Zwaan entfernt stand ein imposantes Barockhaus mit einem großen Garten (grooten hove), der fast genauso groß war wie der Rubensgarten. Dort wohnte Rubens’ Schwager Peter Hannekart, ein einflussreiches Mitglied des Tulpenzweibelvereins. Er besaß bei seinem Tod sechs große Rubensgemälde, darunter auch „Heinrich IV. in der Schlacht von Ivry” aus der Sammlung des Rubenshuis. Als Rubens starb, wurde Hannekart als Mitvormund für die fünf minderjährigen Kinder des Künstlers und seiner zweiten Frau Helena Fourment angestellt.  

Als Schlüsselfigur des Vereins galt der Kunstsammler und Kanoniker Antonio de Tassis. Er ließ sich von Van Dyck porträtieren, schätzte Rubens’ Arbeit sehr und war ebenfalls tulpensüchtig. Aus Notararchiven geht hervor, dass er zwischen 1634 und 1637 Tulpen und andere Blumen besaß und damit für viel Geld Geschäfte machte.   

𝓲
Diebe auf der Lauer

All die wertvollen Zwiebeln lockten natürlich Diebe an. Dass man so eine Zwiebel schnell einstecken konnte, wusste auch der Blumenmaler Philips de Marlier. Er beauftragte seine Schüler, über die Gartenmauer seines Nachbarn zu klettern, um in dessen Garten die besten Tulpen zu stehlen und durch weniger wertvolle Exemplare zu ersetzen … Der Tulpenfan de Tassis konnte aus Angst vor Dieben sogar nicht schlafen.  

(Ich) wohnte allein (…) und war beunruhigt, weil ich befürchtete, die Blumen in meinem Garten könnten gestohlen werden

Antonio de Tassis
Und Rubens?

War Rubens selbst auf dem Tulpenschwarzmarkt aktiv? Das ist vorläufig noch nicht sicher und wird von Klara Alen weiter untersucht. Fest steht jedoch, dass sich die zwielichtigen Geschäfte ganz in der Nähe abspielten und auch er Tulpen liebte. Die Blumen tauchen nicht nur in Rubens’ Garten, sondern auch auf seinen Werken auf. Auf dem Gruppenbildnis „Die vier Philosophen” stellt er vier Tulpen in einer Glasvase dar. Zwei sind geschlossen, die beiden anderen verwelkt – ein Symbol der Vergänglichkeit. Rechts auf dem Gemälde „Rubens und seine zweite Frau im Garten” blüht ein großes Tulpenbeet und auch auf dem Hut seiner Frau Helena prangt eine prächtige rot-weiß geflammte Tulpe! 

𝓲

Von April bis Mitte Mai blühen 1.241 Tulpen im Rubensgarten. Bewundern Sie die verführerische Pracht in natura und erleben Sie hautnah die süchtig machende Wirkung dieser prächtigen Frühlingsblumen.  

Die Gartenführungen sowie die Vorträge der Gartenkonservatorin Klara Alen ermöglichen einen tieferen Einblick. Unsere Führer*innen erzählen Ihnen alles über den Garten.